Foto: Nicole Pagnia
Erfahrungsberichte

Eine Haflingerdame geht ihren Weg

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Vom Alpenpanzer zum Tiroler Edelweiß

Manchmal kommt es eben anders, als man denkt.

Endlich alt genug, endlich eigenes Geld, endlich den Traum vom eigenen Pferd erfüllen. Ein Pony? Nein, ein Großpferd sollte es sein, das passt viel besser. Ein Haflinger? Nö, ein sportlicheres Pferd für die ein oder andere Dressur wäre mir lieber. Korrekturreiten? Na ja, so richtig in der Lage sah ich mich dazu eigentlich noch nicht, lieber ein erfahrenes Lehrpferd. Tja, das überlegt man sich so schön und natürlich kommt es anders – aber ich fange lieber mal von vorne an:

Eine kleine, recht hübsche Haflingerdame wurde von meinem Reitverein als neues Voltigierpferd besichtigt, ausprobiert und für gut befunden. Damals war „Kyra“ 4 Jahre alt, bis dahin Therapiepferd gewesen und auch wirklich sehr lieb an der Longe.

Kyra hatte Bewegungsdrang, aber immer brav ihre Runden gedreht an der Longe Foto: Karen Pagnia

Kyra mischt den Reitunterricht auf

Als Reitpferd war sie jedoch eher eine mittlere Katastrophe. Hier war sie einfach nicht weiter ausgebildet worden. Ihr Reitpferde-ABC bestand aus: Einmal Bein-Klopfen = Schritt, zweimal Bein-Klopfen = Trab, solange Bein-Klopfen, bis sie will = Galopp. Ansonsten bitte ganze Bahn. Handwechsel grundsätzlich nur, wenn sie es möchte und dann in Form von „auf dem Absatz kehrt“. Ohne Knieschluss und perfekte Balance hatte der Reiter kaum eine Chance, oben zu bleiben.

Die Idee des Reitvereins: Wir, die „fortgeschrittenen“ Reiter, also eigentlich die, die nicht gleich runter fallen, bringen ihr ein bisschen Hufschlagfiguren und geregelte Gangarten bei.

Kyra und ich im Ansatz einer ihrer berüchtigten Buckler Foto: Nicole Pagnia

Kyra und ich lernen uns kennen

So lernte ich also diese kleine und unerfahrene, aber äußerst selbstbewusste und liebenswerte Stute kennen und durfte mich einige Monate mit ihr beschäftigen. Das hat mir wirklich einen riesen Spaß gemacht. Nachdem „Kyra“ die Basics einigermaßen drauf hatte, wurde sie nach und nach in die Reitstunden gesteckt. Ich habe sie dort noch einige Zeit mitgeritten und versucht, ihr mit Hilfe der Reitlehrer und soweit es mein Können erlaubte, etwas beizubringen.

Wir verlieren uns wieder aus den Augen

Bald machten sich jedoch die vielen wechselnden, mal stärkeren, mal schwächeren Reiter bemerkbar und es wurde schwer, an Dingen konstant weiter zu arbeiten. Das hat mir, ehrlich gesagt, auch nicht mehr so richtig Spaß gemacht. So ritt ich eine Zeit lang nicht mehr viel und auch aus anderen Gründen wie Schule und später Ausbildungssuche war ich nicht mehr so aktiv im Stall.

Wer soviel Flausen im Kopf hat, muss sich natürlich auch mal ausruhen Foto: Karen Pagnia

Ein Traum soll wahr werden

Etwa 2 Jahre später verdiente ich endlich mein eigenes Geld – und das war der Startschuss zu dem Entschluss, mich nach einem eigenen Pferd umzusehen. Ich konnte es kaum erwarten, mich um meinen eigenen Vierbeiner zu kümmern, ihn zu betüddeln und mit ihm zu lernen. Ein bisschen Turniere reiten hatte mich auch schon immer gereizt.

So machte ich mich hoffnungsvoll auf die Suche und fand …. nichts.  Zu weit weg, zu teuer oder der Anbieter mit all seinen Versprechungen nicht vertrauenswürdig. Es war wirklich schwer, etwas zu finden, wo eine Anfrage lohnenswert schien.

Robust und unverwüstlich sind typische Haflinger Eigenschaften, die auch Kyra auszeichnen Foto: Karen Pagnia

Da ich in der Zeit auch wieder öfters im Reitverein unterwegs war, erfuhr ich dort, dass Kyra verkauft werden soll. Sie hatte sich wohl in der letzten Zeit nicht so beliebt gemacht bei den Reitschülern. Es hieß, sie bestimmt selbst ihre Wege und wird lästige Reiter auch mal los. Wenn ein Hafi-Dickkopf nicht will, will er nicht. Punkt. Und wenn die Reiter sich nicht durchsetzen, dann klappt das noch viel besser.

Und was wäre, wenn ..?

Das überzeugte mich natürlich zunächst nicht. Jedoch im Hinblick auf die Schwierigkeiten und Probleme bei meiner bisher erfolglosen Pferdesuche gab es einen entscheidenden Unterschied: Ich kannte das Pony, seit sie vier Jahre alt war.  Ich wusste, wo sie herkommt und dass sie bisher noch keine gesundheitlichen Probleme hatte. Das war schon echt ein großer Vorteil.

Und ich begann zu überlegen: Die Flausen bekommt man mit viel Übung und etwas Geduld doch bestimmt auch wieder raus aus dem schönen Köpfchen … einen Reitlehrer hat man ja auch an seiner Seite … Ganz von vorne anfangen und ein richtig gutes Reitpferd draus machen … Dann klappt doch vielleicht auch irgendwann ein Turnier?

Hoch motiviert, aber zugegebenermaßen mehr träumend als real denkend, wurde der Kauf beschlossen und der Vertrag unterschieben – ein absolut tolles Gefühl! Ich war sehr stolz, Verantwortung für mein eigenes Pferd übernehmen zu dürfen.

Kaum zu glauben … wir gehören jetzt zusammen! Foto: Nicole Pagnia

Und noch bevor ich das erste Mal auf Kyra als „mein Pferd“ saß, ging es in meiner Pferdemädchen-Fantasie ohne Sattel und im gestreckten Galopp über den Platz. Stundenlang durch Wald und Wiese und schwebend durchs Dressurviereck. Und natürlich mit der Schleife nach Hause, aber – wir sind ja auch bescheiden – die Schleifenfarbe war mir egal. Ganz nebenbei, ich war vorher so gut wie noch nie richtig ohne Ausbinder geritten.

Mit Kyra auf der Achterbahn

Von diesem Tage an begann eine bis heute schon 3 Jahre andauernde Achterbahnfahrt. Hoch. Runter. Looping. Freier Fall. Leichte Wellen. Rückwärtsfahren. Alles dabei. Das ein oder andere Loch war, glaube ich, auch in den Schienen. Eigentlich eine ganz schön blöde Achterbahn und manchmal wäre ich während der Fahrt am liebsten ausgestiegen. Aber dann ärgert man sich hinterher doch nur, dass man nicht weitergefahren ist …. vielleicht wird’s doch noch richtig gut?

Ich glaube jeder, der regelmäßig reitet, weiß, dass es nie sofort gut funktioniert. Man arbeitet nun mal mit einem Tier zusammen, das sein eigenes Wesen und seine Vorstellungen mitbringt. So richtig gemerkt und gelernt habe ich das aber erst in den letzten 3 Jahren. Ein Pferd, das nicht annähernd korrekt ausgebildet wurde, davon zu überzeugen, mitzuarbeiten und sich eben nicht durch Wegrennen oder Ignorieren der Hilfen der Arbeit zu entziehen, ist einfach nur … richtig schwer.

Immer wieder hatten wir richtig gute Tage, wo ich stolz auf mein Pony war Foto: Nicole Pagnia

Ich behaupte mal von mir selbst, dass ich recht geduldig bin und doch bin ich oft irgendwann an meine Grenzen geraten. Ich musste lernen, Rückschritte zu akzeptieren, bei denen ich mich immer fragte: Hat das nicht letztens noch so gut geklappt?!

Am Anfang war das gar nicht so leicht und auch etwas entmutigend, doch mit der Zeit lernte ich, dass es einfach so ist und ich nur immer weiter daran arbeiten musste. Zudem bemühte ich mich, den Ernst des Lebens für mein Pony so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Ich ging neben der dressurmäßigen Arbeit im Gelände spazieren, longierte sie in gefühlt 100 verschiedenen Varianten, ließ sie laufen, machte Stangenarbeit, gelegentlich auch Bodenarbeit und gab ihr regelmäßige freie Tage.

Inzwischen waren wir auch auf kleineren Turniere unterwegs, zu Beginn in Reiterwettbewerben, irgendwann in den E-Dressuren. Mein Ziel war es keinesfalls, säckeweise Schleifen mit Heim zu bringen. Aber eine gute Leistung abliefern und zeigen was wir gelernt haben, das wollten wir und das bringt im besten Falle netterweise ja auch eine Platzierung. So richtig geklappt hat es die erste Zeit nicht, obwohl Kyra immer absolut brav ihren Job gemacht hat.

Auf den ersten Turnieren war die Leistung noch nicht gleichmäßig abrufbar Foto: Nicole Pagnia

Lernen, mit Höhen und Tiefen zu  leben

Trotz allem gab es auch immer wieder diese tückischen Phasen. Einige Wochen lief es richtig gut. Kyra lernte Dinge, die ich dann auch erneut abrufen konnte. Unsere Harmonie wurde besser und wir konnten richtig gut zusammen arbeiten. Ich lernte von ihr, sie von mir. Dann – Zack – war es wieder vorbei und wir waren uns überhaupt nicht einig. Im Training stand es dann auch manchmal Dickkopf gegen Dickkopf.

Ich fand es unglaublich schwer zu unterscheiden: Wann lasse ich mich „veräppeln“ vom Pony-Sturkopf und muss konsequenter sein, und wann fordere ich vielleicht einfach zu viel und muss einen Schritt zurückgehen? Aber auch das konnte ich mit der Zeit immer besser deuten. So lernte ich dazu und Kyra ebenfalls, bis irgendwann die „guten Phasen“ mehr und die „schlechteren Phasen“ weniger wurden.

Die Durchlässigkeit konnten wir noch nicht gezielt zum richtigen Zeitpunkt abrufen. Aber wir arbeiteten unermüdlich daran. Dabei habe ich meine Reit- und Longier- bzw. Denkweisen gewechselt wie Unterwäsche. Und dann hat es tatsächlich irgendwann Klick gemacht. So richtig. Und ganz ehrlich, Bestätigung tut dann ja auch mal ganz gut: Mit einer Wertnote von 7,0 konnten wir uns unsere erste Platzierung in einer A*-Dressur erkämpfen.

Lisa und Kyra auf dem Weg zum Erfolg Foto: Lena Meder Fotografie

Ich war so stolz auf mein Pony, was es gelernt hat und was wir zeigen konnten. Mit der Zeit merkt man auch, was man selbst von seinem Pferd lernt und ganz nebenbei: Ich habe genau genommen ALLES von meinem Pferd gelernt, denn in dieser Zeit hatte ich, wenn es hoch kommt, 4 Reitstunden bei einem Reitlehrer. Ich persönlich konnte am besten lernen, in dem ich mir von meinem Pferd „sagen lasse“, was ich richtig und falsch mache, gerne auch mal mit der ein oder anderen Diskussion.

Gemeinsam haben wir viele Hürden überwunden und sind ein Team geworden Foto: Nicole Pagnia

Mein Ziel zu erreichen, habe ich natürlich immer gehofft, aber ob es klappen wird, das wusste ich nicht wirklich. Und um ehrlich zu  sein,  gab es auch immer wieder Zeiten, da habe ich einfach nicht mehr daran geglaubt. Doch es hat sich gezeigt: An sich und sein Pferd glauben und für den Traum kämpfen wird am Ende belohnt.

* 25 Jahre alt * Auszubildende in Darmstadt* eigenes Pferd: Sporthaflinger Stute "Kyra"*
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