Foto: Daria Koskova
Reiterreisen

Die Faszination Indiens vom Pferderücken aus erleben

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Ein Trailritt durch Indien – eine unglaubliche Erfahrung

„Ernsthaft, Indien?“, „Allein?“, „Was willst du da, REITEN? Haben die überhaupt Pferde?“, „Reiten kannst du doch auch daheim“, „Hast du keine Angst?“ oder „Das ist doch viel zu gefährlich“ waren die ersten Reaktionen, als ich erzählte, dass ich in Indien Urlaub machen will.

Ehrlich gesagt hatte auch ich vor meiner Reise, wenn ich an Indien dachte, Bilder im Kopf von Slums in den Großstädten und armen Menschen auf dem Land. Eine Kultur, die ich nicht kenne und nicht verstehe und aus der Presse Meldungen über Gewalt und fehlende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau. Und dort kann man als Frau alleine einen Reiturlaub machen? Oh ja, man kann!

In einer kleinen Gruppe auf dem Pferderücken das fremde Land erkunden. Foto: Daria Koskova

Faszination pur

Denn als ich dann anfing, über Indien zu recherchieren, über das Land, die Geschichte, seine Kultur und die wunderschönen Marwari Pferde, sah ich immer wieder das Gleiche: Fröhliche Menschen, Lachen, Farben, Freundlichkeit, ganz viel Tradition, eine spannende Kultur und viele Tiere, die wir hier nur aus den Zoos kennen. Je mehr ich sah und las, desto größer wurde meine Vorfreude und meine Reiselust war geweckt. Strandurlaube hatte ich schon genug gemacht, ich wollte etwas Neues ausprobieren.

Die Reisevorbereitungen

Bevor man nach Indien reisen kann, benötigt man ein Visum, einen gültigen Reisepass und ganz wichtig: Für Indien gibt es eigene Lichtbild-Vorschriften! Die gängigen Passbildautomaten erfüllen diese nicht, man muss daher zum Fotografen. Sobald man den Pass und das Bild hat, kann man das Visum einfach online beantragen. Ich war erstaunt, schon am nächsten Tag habe ich mein Visum bekommen. Der Flug war dann schnell gebucht.

Es empfiehlt sich, für Indien einige Schutzimpfungen vorzunehmen und sich dafür vom Hausarzt beraten zu lassen. Da ich noch nie in Asien war, fielen diese bei mir etwas umfangreicher aus. Neben einer neuen Tetanusspritze und einer Auffrischung von Masern/Mumps/Röteln empfahl mir mein Arzt Impfungen gegen Hepatitis, Typhus und Tollwut. Außerdem bekam ich ein Medikament gegen Malaria sowie ein Antibiotikum und ein Durchfallmittel und war so bestens gerüstet.

Vor der Reise bereits Geld umtauschen sollte man für Indien übrigens nicht, denn es ist nicht erlaubt, Rupien einzuführen. Daher bringt man sein Geld in Euro mit und wechselt im Land. Am Flughafen oder in den Hotels ist das ganz unkompliziert möglich.

Ankommen und erste Eindrücke der indischen Kultur

Im Land angekommen, lernte ich erst einmal eines: Indien ist groß. Sehr groß! Das hatte ich wirklich vorher unterschätzt. Dementsprechend fährt man dort immer weit und lange mit dem Auto. Ich wurde am Flughafen abgeholt und nach 5 Stunden Autofahrt kamen wir pünktlich zum Mittagessen in einem kleinen Ort in der Nähe von Jodhpur an.

Eines der prunkvollen ehemaligen Kaufmannshäuser, die heute als Hotels genutzt  werden. Foto. Karin Knoblauch

Dort lernte ich meine Mitreisenden kennen, wir waren eine ganz kleine Gruppe. Zwei Russinnen, die bereits früher angereist waren, und ich. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut. Nach dem Mittagessen konnten wir noch im Pool baden, bevor am Nachmittag die Pferde kamen.

In Indien ist es selbstverständlich, dass die Männer die Pferde fertig machen und den Gästen bringen, nachgurten und die Steigbügellänge einstellen. Wenn man helfen möchte, gibt man ungewollt das Signal, der Mann würde seine Arbeit nicht gut machen. Eine andere Kultur – wir möchten ja nur helfen – aber es ist besser und freundlicher, wenn man sich bedienen lässt. Für uns ist das völlig ungewohnt, schließlich hat man gelernt, sein Pferd selbst fertig zu machen. Aber wir haben uns dann doch relativ schnell daran gewöhnt.

Marwari – die heiligen Pferde

Bevor ich nach Indien reiste, kannte ich Marwari nur aus Pferderassebüchern. Schließlich gibt es Marwari aufgrund eines Exportverbotes nur in Indien. Charakteristisch sind ihre Sichelohren, die so stark gebogen sind, dass die Spitzen sich berühren. Anfangs wirken sie auf uns Europäer ungewohnt, aber bereits nach kurzer Zeit schon lernt man sie lieben.

Marvari Fotos in der Galerie: Daria Koskova

Nur in Indien kann man die Welt durch ein Guckloch sehen. Der Legende nach entstanden die Marwari aus den Tränen Gottes. Daher werden sie in Indien auch heute noch als Götter verehrt und haben einen besonderen Stellenwert. Pferde mit vier weißen Beinen und weißen Abzeichen am Kopf sollen besonders viel Glück bringen.

Die Marwari sind ideal an die wüstenartige Gegend angepasst. Sie sind sehr stolz und elegant, äußerst zäh und haben ein unglaubliches Durchhaltevermögen. Schmaler und leichter gebaut als unsere europäischen Pferde, sind sie trotzdem sehr stark und schnell. Ihr unglaubliches Tempo können sie mühelos über Stunden beibehalten, sodass man problemlos mehr als 30 km am Tag mit ihnen zurücklegen kann. Die 40 Grad im Schatten beeindruckten die Pferde dabei keineswegs.

Privat im Besitz eines Lusitanos (portugiesische Pferderasse), der durchaus auch sommerliche Temperaturen verkraften kann, war ich doch über den Leistungswillen und die Physis der Marwari erstaunt. Meinem Pferd wäre bei dem Wetter und der Bodenbeschaffenheit nach einer Stunde die Puste ausgegangen, die Marwari waren da gerade mal auf „Betriebstemperatur“.

Die Autorin und ihr Lusitano „Eterno“ Foto: Precious moments, Patricia Griesel

Zu Gast in Rajasthan

Rajasthan liegt im Nord-Westen Indiens an der Grenze zu Pakistan. Es ist ein vergleichsweise reiches Bundesland mit zahlreichen Forts, ehemaligen Maharadscha-Schlössern und Havelis (einst Kaufmannshäuser). Viele werden heute als Hotels genutzt, sodass man die Ehre hat, in historischem Ambiente zu übernachten.

Die Forts und Schlösser sind prunkvoll und die kleinen Havelis sehr charmant mit ihren beeindruckenden kunstvollen Bemalungen und Schnitzereien. Hier wird Geschichte hochgehalten und Traditionen werden bewahrt.

Rajasthan ist bekannt für seine Havelis – ehemalige Kaufmannshäuser, die reich verziert und bemalt sind. Foto. Karin Knoblauch

In der trockenen und sandigen Gegend gibt es viele Schafe, Ziegen und natürlich Kühe, aber auch Wasserbüffel, Antilopen, Gazellen, Wüstenfüchse sowie unterschiedlichste Vogelarten wie Adler, Geier oder Eisvögel.

Indien, seine Kultur und Bräuche zu Pferd entdecken

Mit den Pferden sind wir durch die Landschaft und von Ort zu Ort geritten und haben Tiere beobachtet, immer gefolgt von unserem Jeep, der Verpflegung für die Pausen und unser Gepäck mitführte.

Wann immer wir die kleinen Dörfer durchquerten, bot sich uns das gleiche Bild: Die Menschen kamen auf die Straße, grüßten uns und winkten uns zu, lachten und waren voller Freude. Die Kinder liefen neben uns her, manche folgten uns sogar noch längere Strecken mit dem Fahrrad. Indien ist ein äußerst gastfreundliches Land und es war schön zu sehen, wie glücklich es die Menschen machte, uns einfach nur zu sehen.

Wenn wir in einem kleinen Ort Mittagspause machten, kamen alle Dorfbewohner zusammen und sahen uns beim Essen zu. Danach boten sie uns Masala Chai an (ein indischer Gewürztee, der auf dem Land einfach am allerbesten schmeckt). Wir unterhielten uns mit den Bewohnern und machten Fotos.

Als Dank für ihr Kommen bekamen die Gäste Henna-Tattoos. Foto: Karin Knoblauch

Die Kinder waren so glücklich, strahlten uns an und wollten nicht aufhören zu fotografieren. Die indischen Reisebegleiter übersetzten für uns, erklärten uns das Dorfleben, die Bräuche und Traditionen. Auch während der Ritte erzählten sie uns viel über das Land, seine Legenden, die Kultur und das Zusammenleben.

Wenn wir abends mit den Pferden in unserem Haveli ankamen, wurden wir mit Trommeln und Musik begrüßt und die Havelis waren mit Blumen geschmückt. Für zwei Nächte hatten wir die Ehre, bei einer indischen Familie zu wohnen und das Leben mit der Familie zu teilen. Diese Einblicke waren unbezahlbar.

Wir wurden durch ihr Dorf geführt (wir waren drei Frauen mit vier indischen Reisebegleitern zu unserem Schutz, aber ich würde sagen, es ist gefährlicher, in Deutschland eine Straße zu überqueren). Auch hier kamen wir mit den Dorfbewohnern – fast alle waren Familienangehörige – ins Gespräch. Wir erhielten Blumenkränze und Henna-Bemalungen, durften Saris anprobieren und es wurde Musik für uns gespielt.

Auch Sightseeing kommt nicht zu kurz

Nachdem wir unseren Trail beendet hatten, sind wir mit dem Zug nach Jaipur zurückgefahren. Auch hier wurde mir wieder die Größe des Landes bewusst, denn wir fuhren ca. 6 Stunden. Deutschland hätte man in dieser Zeit schon über die Hälfte durchquert, in Indien gilt das als Kurzstrecke.

Jaipur ist eine Großstadt mit ca. 3 Mio. Einwohnern. Eine pulsierende Stadt, in der sich Tuktuks, Motorräder, Busse und Jeeps hupend durch die Straßen schlängeln. Mittendrin Händler mit ihren Ständen, Kamelwagen, Pferde und immer wieder Kühe. Ein starker Kontrast zur vorangegangenen Ruhe auf dem Land, aber sehr spannend. Auch das ist Indien.

In Jaipur hatten wir ausreichend Zeit zum Sightseeing. Es gibt dort mehrere Forts, die alle interessant und sehenswert sind. Allen voran ist das Amber Fort zu empfehlen, das atemberaubend schön ist.

Das wunderschöne Amber Fort ist architektonisch beeindruckend und reich verziert. Foto: Karin Knoblauch

Außerdem haben wir einen Poloclub besucht und bekamen dort die Gelegenheit, ausgebildete Polopferde zu reiten. Das macht Spaß, ist einmal etwas ganz anderes und gar nicht so leicht, wie man denkt. Der Polosport kommt ursprünglich aus Indien und ist dort sehr bliebt.

Scharf, schärfer, indisch

Indisches Essen ist scharf. Sehr scharf. Soweit das bekannte Vorurteil. Ich persönlich mag kein scharfes Essen und habe mich darauf vorbereitet, mit ein paar Kilos weniger nach Hause zu kommen. Vor Ort wurde ich dann schnell eines Besseren belehrt. Zum einen wurde das Essen an den europäischen Geschmack angepasst (denn das typisch indisch zubereitete Curry ist für Europäer nicht genießbar).

Die indische Küche ist höchst abwechslungsreich. Foto: Karin Knoblauch

Zum anderen gibt es in Indien auch Speisen, die absolut nicht scharf sind. Eine typische Mahlzeit in Rajasthan besteht aus einem kleinen Buffet. Meistens gibt es Reis, Curry mit Hähnchenfleisch (das mit den kompletten Knochen zubereitet wird, für uns sehr ungewohnt), Gemüse (sehr oft Blumenkohl), Kartoffeln, das Landesgericht Dal (ein Linsengericht, das täglich gegessen und jeden Tag anders zubereitet wird) und dazu Chapati (eine Art Fladenbrot). Dazu werden verschiedene Pickles oder Raita (ein auf unterschiedliche Arten zubereiteter Joghurt) gereicht.

Meist sind nur wenige der Speisen scharf, alles andere ist mild und das Essen ist immer lecker. Seit meinem Aufenthalt bin ich Fan der indischen Küche. Oft werde ich gefragt, ob ich mit dem Essen Probleme bekommen hätte. Ich bin empfindlich, habe aber das indische Essen besser vertragen als das deutsche zu Hause. Vielleicht weil weniger Zusatzstoffe enthalten sind und immer alles frisch zubereitet wird? Bei den Getränken war ich vorsichtig, habe immer nur geschlossene Getränke zu mir genommen und die Zähne nur mit Trinkwasser geputzt. So habe ich den Urlaub unbeschwert genossen.

Was ist  arm und was ist reich – neue Sichtweisen eröffnen sich

Rückblickend wird mir oft die Frage gestellt, wie ich mit der Armut zurechtkam. Ich frage dann immer: „Was ist ‚arm’?“ Die Menschen verfügen definitiv über weniger monetäre Güter als wir in Europa. Dafür sind sie reich an Freundlichkeit, Gastfreundschaft, Fröhlichkeit, Entspanntheit, Genuss, Ruhe, Zeit, Neugier, Lachen.

Familiäre Bindungen sind sehr stark und Traditionen werden bewahrt. Werte, die ich als sehr bereichernd empfinde und die weder ein großes Auto noch edle Kleidung oder teurer Schmuck wettmachen können. Da stellt sich mir die Frage, welches Land arm oder reich ist – und woran?
Natürlich sehe ich auch die Probleme, aber Indien ist ein so wunderschönes und faszinierendes Land und für mich definitiv eine Reise wert.

Ein Land, in dem ich zur Ruhe gekommen bin und mich immer willkommen gefühlt habe. Ich sehe die Welt nun mit anderen Augen, kann Dinge besser einordnen.

Besonders beeindruckt hat mich, wie sehr man mit dem Land, den Menschen und ihrer Kultur in Kontakt kommt, wenn man zu Pferde reist.

Auf dem Rücken eines Marwari durch Indien reiten, schafft unvergessliche Erinnerungen Foto: Karin Knoblauch

Ich fühlte mich so nah am Leben, wie man es in einem Bus, der einen herumfährt, nie sein könnte. So habe ich Indien ganz authentisch kennengelernt. Und bin zur „Wiederholungstäterin“ geworden. Im Herbst steht bereits meine dritte Indienreise an. Es gibt dort einfach so viel zu sehen, zu genießen und zu entdecken!

 

Sollte dieser Reisebericht das Fernweh bei Dir geweckt haben, ist die Autorin jederzeit über unsere Redaktion zu erreichen und gibt gerne persönlich weitere Auskünfte.

 

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