Gesundheit

Hufrollenentzündung (Podotrochlose)

Inhalt
Definition
Symptome
Diagnose
Behandlung
Prognose
Ursachen
Vorbeugung

Definition

Unter den Begriffen „Hufrollenentzündung“, „Hufrollensyndrom“, „Strahlbeinlahmheit“ oder dem Fachterminus „Podotrochlose“ sind Erkrankungen der Hufrolle zusammengefasst. Fällt das Wort „Hufrolle“, ist damit also zunächst eine Struktur im Huf des Pferdes gemeint.

Sie besteht aus dem Strahlbein, einem darauf liegenden Schleimbeutel und dem darüber gleitenden Abschnitt der tiefen Beugesehne. Die tiefe Beugesehne wird über das Strahlbein geführt und damit nach oben umgelenkt, was dem Mechanismus einer Umlenkrolle ähnelt. Ein Schleimbeutel fungiert dabei als Polster zwischen Knochen und Sehne.

Als Verschleißerscheinung oder Reaktion auf eine Fehlbelastung kann sich dieser Schleimbeutel entzünden. Manchmal sind gleichzeitig auch umliegende Strukturen wie die Huflederhaut, das Hufgelenk oder Band-und Sehnenstrukturen betroffen. Daher wird der Begriff „Hufrollensyndrom“ auch oft verwendet. Als Folge der Entzündung kann es zur Zerstörung von Knorpel und zu Knochenveränderungen kommen.

Die Hufrollenentzündung gilt als Zivilisationskrankheit und tritt leider häufig auf, insbesondere bei Warmblutpferden. Meist sind beide Vorderbeine in unterschiedlicher Ausprägung betroffen, an den Hinterbeinen hingegen finden wir sie seltener.

 

Der nachfolgende Film von Veterinär Dr. Stephan Böttcher zeigt die Strukturen innerhalb des Hufes sehr anschaulich und verständlich. Er dauert 15 Minuten und liefert Informationen rund um die Erkrankung, Behandlung und Erfahrungen aus der alltäglichen Pferdepraxis. Vielen Dank dafür.

Symptome

Die Hufrollenentzündung und ihre Symptome beginnen meist schleichend und diffus.

Leitsymptome

  • klammer, verkürzter Gang, besonders auf hartem Boden und in Wendungen
  • wechselnde Lahmheiten
  • Pferd kommt steif aus der Box und wirkt vorsichtig
  • häufiges Stolpern
  • Verweigern im Parcours bei ansonsten springfreudigen Pferden (Ursache: das Pferd hat Angst vor dem Schmerz bei der Landung nach hohen und weiten Sprüngen, bei denen die Hufrolle besonders belastet wird)

Im Anfangsstadium der Krankheit können die Symptome auch wieder verschwinden, man sagt, das „Pferd läuft sich ein“. Schreitet die Hufrollenentzündung einseitig fort, entsteht eine sogenannte Stützbeinlahmheit. Das Pferd möchte sich nicht mehr auf dem erkrankten Bein abstützen und verlagert das Gewicht auf das gesunde oder zumindest weniger betroffene Bein. Es lahmt deutlich sichtbar. Außerdem kann die Fußarterie beim Betasten spürbar pulsieren. Bei sehr aufgeprägten Entzündungen ist sogar Fieber möglich.

Sollte die Krankheit auf beiden Vordergliedmaßen gleichzeitig und gleich schwer auftreten, dann wird unter Umständen keine direkte Lahmheit sichtbar. Das Gangbild verändert sich dann schleichend hin zu oben erwähntem klammen, verkürzten Gang.

Achtung bei älteren Pferden: Veränderungen am Strahlbein sind bei ihnen oft altersgemäße Abnutzungserscheinungen. Deshalb müssen diese bei alten Pferden in der Diagnostik anders bewertet werden als bei jungen Pferden.

Diagnose

Bei einem Verdacht auf Hufrollenentzündung ist umgehend ein Tierarzt zu verständigen, da das Pferd unter Schmerzen leidet und behandlungsbedürftig ist.

Dem Tierarzt stehen im Stall verschiedene Möglichkeiten der Diagnostik zur Verfügung:

  • Pferd in der Bewegung beurteilen
  • Beugeproben der betroffenen Gliedmaßen
  • Ultraschall- und Röntgenbilder geben Aufschluss über eventuelle Veränderungen und Entzündungsvorgänge
  • diagnostische Anästhesien (das sogenannte „Abspritzen“), also der Versuch, das Problem mittels lokaler Betäubungen zu lokalisieren

Maßnahmen in der Klinik:

  • Punktion des Gelenks, um Gelenkflüssigkeit zu gewinnen
  • Gelenkspiegelungen (können die Diagnose präzisieren)

Behandlung

Es gibt verschiedene Behandlungsansätze für die Hufrollenentzündung. Zunächst stehen Schmerzlinderung und Entzündungsbekämpfung im Fokus der Behandlung. Dazu kommen Schmerzmittel und Entzündungshemmer (z.B. Phenylbutanzon und Cortison Injektionen) zum Einsatz, manchmal auch Antibiotika.

Der Hufschmied kann durch einen natürlichen Hufausschnitt oder einen stoßdämpfenden Spezialbeschlag (z.B. Eiereisen) die Hufrollen entlasten.

Zum Thema Bewegung gibt es unterschiedliche Meinungen. Je nach Schweregrad der Lahmheit ordnen manche Tierärzte für einige Tage oder auch Wochen Boxenruhe an. Andere befürworten eine kontinuierliche, belastungsarme Bewegung des Pferdes ohne Reiter. So soll die Durchblutung der Hufe angeregt werden. Dieser Ansatz sieht beispielsweise auch ausgiebigen Weidegang über einige Monate hinweg vor.

Einigkeit herrscht darüber, dass harte, unebene Böden schädlich sind und vermieden werden müssen.

Bei einer Hufrollenentzündung baut sich Knorpel ab und es entstehen Veränderungen an knöchernen Strukturen. Hier können Hyaluron, Glucosamin und Biphosphonate eingesetzt werden, um den Abbau aufzuhalten und eventuell neue Knorpelsubstanz zu bilden. Diese Therapieansätze sind allerdings mehrheitlich noch nicht ausreichend erforscht, um verlässliche Angaben zu ihrer Wirksamkeit zu machen.

Die Teufelskralle als Nahrungsergänzung, zB. in Pelletform, wird als Langzeitgabe oft verwendet. Mit gutem Erfolg.

Der Nervenschnitt

Äußerst umstritten ist heute der früher recht häufig durchgeführte Nervenschnitt, bei dem die Palmarnerven operativ durchtrennt werden. Das Pferd wird dadurch schmerzfrei, allerdings sind die Ursachen der Erkrankung damit nicht beseitigt, das bedeutet also die Hufrollenentzündung schreitet fort.

Durch das Trennen der Nerven spürt das Pferd seinen Huf nicht mehr wie zuvor, es kann daher vermehrt stolpern und den ohnehin geschädigten Huf überlasten.

Andere, neue Erkrankungen wie beispielsweise ein Hufgeschwür werden zu spät wahrgenommen und können ebenfalls schwerwiegende Folgen haben. Die Wirkung eines Nervenschnitts hält etwa drei Jahre an. Führt ein erneuter Eingriff danach nicht zum Erfolg, leidet das Pferd an den mitunter starken Schmerzen der fortgeschrittenen Krankheit und muss unter Umständen eingeschläfert werden.

Prognose – welche Heilungschancen hat das Pferd?

Ausmaß und Schwere der Entzündung sowie der bereits entstandenen Langzeitschäden entscheiden über die Prognose bei Hufrollenentzündung. Die Krankheit wird leider oft durch ihre diffusen Anzeichen erst in fortgeschrittenem Stadium erkannt, was die Heilungschancen mindert. Wird eine akute Hufrollenentzündung frühzeitig diagnostiziert und behandelt, ist die Prognose für das Pferd sehr positiv. Nachdem die Entzündung abgeklungen ist, ist es normal reitbar, da keine bleibenden Schäden entstanden sind.

Nach einer schweren Hufrollenentzündung sind Pferde nicht mehr im Sport einsetzbar, auf das Springen sollte außerdem verzichtet werden. Sind Sehnen, Knorpel oder Gelenke durch unerkannte chronische Entzündungen ebenfalls geschädigt, kann das Pferd nicht mehr belastet werden.

Manchmal ist völlige Schmerzfreiheit nicht mehr gewährleistet, sodass ein Pferd im schlimmsten Fall eingeschläfert werden muss. Umso wichtiger ist es, sein Pferd genau zu beobachten und auch scheinbare Kleinigkeiten tierärztlich abklären zu lassen.

Ursachen

Die Hufrollenentzündung gehört zu den Krankheiten, die heutzutage vermehrt auftreten und für die hauptsächlich Haltungs- und Beanspruchungsfehler des Pferdes verantwortlich gemacht werden.

Eine Überbelastung der Hufrolle löst die akute Entzündung aus. Diese geschieht durch:

  • übermäßige Belastung der Vorhand durch unsachgemäßes Reiten
  • hohe punktuelle Belastung beim Springen (bei der Landung nach  dem Sprung)
  • Überlastung der Gelenke beim Reiten auf gebogenen Linien
  • von Natur aus ungünstige Hufform
  • falsche Hufbearbeitung oder mangelnde Pflege des Hufes, da dann Gewichtsverteilung und natürliche Stoßdämpfung nicht mehr vollständig funktionieren

Nicht fach- und artgerechte Aufzucht

Bereits bei der Aufzucht von Jungpferden kann eine spätere Hufrollenproblematik begünstigt werden. Werden Fohlen nicht ausreichend auf verschiedenen Untergründen bewegt, die korrekte Bearbeitung ihrer Hufe versäumt oder werden sie zu früh belastet, wird sich das in späteren Jahren nachteilig auswirken.

Auch Nährstoffmangel im jungen Alter verhindert einen stabilen, gesunden Aufbau der Knochen, Sehnen, Knorpel und Muskeln. Manche Quellen gehen davon aus, dass eine Tendenz zur Hufrollenentzündung erblich bedingt sein könnte.

Vorbeugung

  • korrekte, artgerechte Aufzucht und jungpferdegerechte Fütterung
  • tägliche Hufkontrolle und Reinigung, um Nageltritte oder sonstige Verletzungen zu vermeiden und Veränderungen schnellstmöglich zu erkennen
  • regelmäßige fachgerechte Hufbearbeitung
  • gleichmäßige Belastung
  • zu harte Böden meiden
  • sorgfältiges Aufwärmen
  • junge Pferde langsam und altersgerecht antrainieren
  • bei älteren Pferden die Belastung sorgfältig kontrollieren und eventuell auf Sprünge verzichten
  • regelmäßige Bewegungsmöglichkeiten auf Paddock oder Koppel halten Sehnen und Gelenke gesund
  • die Futterzusammensetzung ist mit dem Erhaltungs-und Leistungsbedarf abzustimmen

 

Die von dem Reitsportmagazin Hufglück angebotenen Inhalte über Pferdekrankheiten dienen ausschließlich der Information der Pferdebesitzer und Reiter. Sie ersetzen in keinem Fall die Untersuchung und Diagnose durch einen Tierarzt.
* Pferdewirtschaftsmeisterin * Reitlehrerin FN * lebt in Portugal *