Foto: Amelie Horsch
Training

Die Lösungsphase – individuell und abwechslungsreich

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Reiten mit Gefühl und Köpfchen

Die besten Lektionen für die Lösungsphase und
woran erkenne ich, dass mein Pferd losgelassen ist?

Niemals ohne Aufwärmen

Jede Trainingseinheit beginnt mit der Lösungsphase. Bevor wir aber mit dem eigentlichen „Lösungsprogramm“ beginnen, sollte immer eine ausgedehnte Schrittphase von mindestens 10 Minuten, gerne auch deutlich länger, vorangestellt sein. Dieser Abschnitt ist von so großer Bedeutung für Gesundheit und Wohlergehen des Pferdes, dass ihm ganz bewusst ein besonderer Platz eingeräumt wird. Wir nennen ihn Aufwärmphase.

Wunderbar zum Aufwärmen geeignet: entspanntes Bummeln im Gelände in schöner Dehnungshaltung Foto: Karen Pagnia

 

Warum ist es so wichtig, die Aufwärmphase zu beachten?

  • Das Herz-Kreislauf-System wird angeregt. Das bedeutet Muskeln, Sehnen und Bänder werden vermehrt durchblutet und auf Anstrengung vorbereitet.
  • Alle Gelenke werden mit Gelenkflüssigkeit angereichert (Sie erreichen erst nach ausreichender sanfter Bewegung ihre volle Beweglichkeit und Beugefähigkeit).
  • Das Pferd bekommt Zeit, sich auch im Kopf von Freizeit auf Arbeit einzustellen, eventuelle Unruhe und Spannungen werden abgebaut.
  • Der Reiter kann sich ebenfalls lockern und mental auf das Training vorbereiten.
  • Es ist die Zeit für das Nachgurten, das sanft und in mehreren Abschnitten erfolgen sollte. So wird Verspannungen oder gar Sattelzwang vorgebeugt.

Die tiefen Schichten der Muskulatur werden sogar erst nach 30 Minuten voll durchblutet. Wer die Bedeutung dieser Phase missachtet und zu früh in die Belastung geht, riskiert gesundheitliche Schäden. Das können Muskelzerrungen oder gar Muskelrisse, Sehnenschäden und natürlich Gelenkprobleme sein.

Grundsätzlich gilt, je älter das Pferd und je kälter die Außentemperaturen, desto länger die Aufwärmphase. Im Winter also noch etwas länger Schritt reiten.

Diese Schrittphase kannst du nach Belieben und Möglichkeiten abwechslungsreich gestalteten, so macht es Pferd und Reiter gleichermaßen Freude und wird nicht zum Pflichtprogramm.

Tipps zum Aufwärmen

Ein Spaziergang mit dem Pferd an der Hand, einmal rund um die Reitanlage zum Beispiel. Fördert gleichzeitig das Aufwärmen des Reiters und das seelische Gleichgewicht des Pferdes, denn es bekommt die Gelegenheit, sich in Ruhe alles anzuschauen. Pferde mögen das.

 

Äußerst interessiert betrachtet der junge Wallach seine Umgebung Foto: Amelie Horsch

 

Warum nicht einmal 20 Minuten Schritt gehen mit Handwechseln an der Longe. Ohne Belastung durch das Reitergewicht. Dies hat den Vorteil, dass du zur Abwechslung auch einmal von unten die Erwärmung deines Pferdes beobachten kannst. Du wirst sehen, je mehr es sich loslässt, desto raumgreifender und gleichmäßiger werden seine Schritte und Kopf und Hals werden sich langsam senken. Ein kleiner Bummel Ausritt wirkt ebenfalls Wunder für die Entspannung.

 

Die Lösungsphase

Nach dem Aufwärmen nun beginnt die eigentliche Lösungsphase. Sie soll das Pferd zur sogenannten inneren und äußeren Losgelassenheit führen. So nennen wir es in der Reitersprache, wenn Körper und Geist des Pferdes auf die nachfolgende Arbeitsphase optimal vorbereitet sind. Auch die innere Bereitschaft zur Mitarbeit soll sich in dieser Phase entwickeln, denn ohne sie ist kein harmonisches Miteinander möglich.

Die Lösungsphase verläuft individuell

Es stehen viele verschiedene Wege offen und ganz sicher gibt es nicht den einen einzig richtigen Ablauf hin zur Losgelassenheit. Je besser dein Pferd und du zusammenfinden, desto sicherer wirst du erspüren, was für deinen Partner am besten ist, um ihn zu einem taktvollen, sicheren Bewegungsablauf, Abschnauben und der willigen Bereitschaft zur Dehnungshaltung bei schwingendem Rücken zu bringen.

Weiterhin ist die Lösungsphase abhängig von folgenden Faktoren:

  • Von Alter und Ausbildungsstand des Pferdes.
  • Von Gesundheits- und Trainingszustand.
  • Von der Umgebung und den Trainingsmöglichkeiten. Im Idealfall stehen eine Reithalle und ein Außengelände, vielleicht eine Rennbahn und Stangen oder Cavallettis zur Verfügung.
  • Ob du dich auf Dressurtraining oder eine Springstunde vorbereitest.
  • Vom Interieur des Pferdes. Neigt das Pferd zu Unruhe und Davonstürmen musst du zu Beginn besonders viel Wert auf die innere Losgelassenheit legen. Der eher phlegmatische und triebigere Typ hingegen will motiviert werden.
  • Auch die Tagesform (letztendlich von Mensch UND Tier) entscheidet darüber, wie du am sinnvollsten arbeitest.

 

entspannter Arbeitstrab auf dem Springplatz in der Lösungsphase vor der Springstunde. das Pony zeigt eine willige Dehnungshaltung, die Reiterin trabt leicht. so soll es sein. Foto: Leanne Eichhorn

 

Individualität wird also großgeschrieben, allerdings ein reiterlicher Grundsatz sollte immer Beachtung finden. Er lautet Vom Leichten zum Schweren.
Für die Praxis heißt das ganz einfach, auch mit einem bis zur Klasse S ausgebildeten Pferd beginne ich mit lösenden Übungen und nicht mit den Grand Prix Lektionen.
Ebenso bedeutet es für den gerade angerittenen Dreijährigen, dass die Lösungsphase genau genommen schon die Arbeitsphase darstellt, denn für ihn geht es erst einmal nur darum, sich im Takt und losgelassen mit dem ungewohnten Reitergewicht zurechtzufinden.
Im Gegensatz dazu können bei einem weit ausgebildeten Pferd durch das Reiten von zum Beispiel Kurzkehrt Wendungen im Schritt schon in der Lösungsphase Koordination und auch Konzentration sinnvoll und schonend angesprochen werden.
Ihr seht, wieder einmal ist beides gefragt – Gefühl UND Köpfchen -.

 

entspanntes Abgaloppieren im leichten Entlastungssitz über eine Stange Foto: Bianca Köbe

Die Klassiker der Lösungsphase

  • Übergänge: Schritt und Arbeitstrab im Wechsel, dabei Leichttraben
  • regelmäßige Handwechsel
  • das Reiten auf großen gebogenen Linien zum Beispiel Zirkellinien, aus dem Zirkel wechseln, einfache Schlangenlinie an der langen Seite, Schlangenlinien durch die ganze Bahn, mit 3 Bogen beginnen
  • Schenkelweichen im Schritt an der langen Seite und die Vorhandwendung
  • Übergänge zwischen allen 3 Gangarten, besonders fördernd sind Trab-Galopp Übergänge auf der Zirkellinie
  • zwischendurch Zügel-aus-der-Hand-kauen-lassen zur Überprüfung und Steigerung der Losgelassenheit
  • von den halben Paraden langsam steigern zur ganzen Parade
  • Leichttraben und Aussitzen im Wechsel
  • von der leichten Stellung und Biegung die Anforderungen steigern durch engere Wendungen, z.B. Schlangenlinien durch die ganze Bahn 4 und mehr Bogen, Volten und doppelte Schlangenlinien an der langen Seite
  • besonders wertvoll ist die Übung Zirkel verkleinern und vergrößern, zuerst im Trabe, aufbauend darauf im Galopp, danach zulegen und einfangen
  • vom Arbeitstempo Übergänge zum Tritte verlängern im Trabe und Galoppsprünge vergrößern mit Rückführung
  • der einfache Galoppwechsel

 

 Tipps zur Abwechslung, um Motivation und Spaß zu erhalten

  • Stangenarbeit im Schritt,Trab und auch Galopp fördert die Rückentätigkeit, Aufmerksamkeit und Koordination, auch speziell geeignet bei Taktproblemen im Schritt
  • Varianten des Schenkelweichens, zum Beispiel das Viereck verkleinern und vergrößern und durch die ganze Bahn entlang der Wechsellinien
  • ein kleiner, lockerer Sprung erfreut auch ein Dressurpferd, z.B. ein Cavalletti mit vorgelegten Trabstangen
  • warum nicht einmal Freispringen, wenn die technischen Voraussetzungen gegeben sind
  • Galopparbeit in Übergängen kombiniert mit frischem Zulegen im leichten Sitz

 

eine Variante des Schenkelweichens: Viereck verkleinern und vergrößern Foto: Amelie Horsch

 

Bietet den Pferden immer wieder Abwechslung im Trainingsalltag an. Es ist wie das Salz in der Suppe, wenn wir die Freude unsere Pferde an ihren Aufgaben erhalten wollen. Hinzu kommt, dass sich mit fortgeschrittener Ausbildung und körperlicher Entwicklung auch die Vorlieben für bestimmte Lösungsmethoden ändern können. Also immer mal wieder Neues ausprobieren.

Besondere Aufmerksamkeit gilt auch hier der Systematik der Skala der Ausbildung.
In der Lösungsphase wird speziell durch die ersten 3 Punkte, Takt, Losgelassenheit und Anlehnung der Boden bereitet für die Steigerung der Anforderungen oder die weitere Ausbildung. Die Übergänge zu den nachfolgenden Punkten, der Schwungentwicklung und der Geraderichtung sind dann fließend (und wie oben erläutert immer abhängig vom Ausbildungsstand des Pferdes).

 

Stangenarbeit im Trabe hilft dem Pferd seinen Takt zu finden, den Hals mehr fallen zu lassen und im Rücken zu schwingen Foto: Kristin Pagnia

Woran erkenne ich, dass mein Pferd sich loslässt?

Zeichen für die Losgelassenheit

  • gleichmäßiger, taktvoller Bewegungsablauf im Takt im Schritt, Trab und Galopp
  • schwingender Rücken
  • stete und feine Verbindung zwischen Reiterhand und Pferdemaul bei nachgebendem Genick des Pferdes, das Pferd tritt willig an das Gebiss heran
  • willige und ungezwungene Dehnungshaltung
  • vertrauensvolles und aufmerksames Annehmen der Reiterhilfen
  • Durchlässigkeit auf die halben und ganzen Paraden
  • zufriedenes Abschnauben und zufriedener Gesamtausdruck
  • locker pendelnder Schweif
  • innere Bereitschaft zur Mitarbeit (das Pferd ist bei der Sache, lässt sich nicht mehr leicht ablenken)
  • sicheres Zügel-aus-der-Hand kauen lassen

 

die junge Reiterin und ihr Wallach demonstrieren sehr schön den aufgewölbten Rücken zum Ende der Lösungsphase. das Pferd könnte sich dabei noch ein klein wenig mehr an die Hand herandehnen. Foto: Amelie Horsch

Stellen sich diese Anzeichen langsam ein, könnt ihr recht sicher sein, die Losgelassenheit eures Pferdes erreicht zu haben. Folgen kann nun der fließende Übergang in die Arbeitsphase, ganz unabhängig vom Schwerpunkt Eurer Reiterei.
Das kann heißen, bekannte Lektionen werden gefestigt und verfeinert oder das Training neuer Übungen beginnt.

Einen gesamten Überblick über die Einteilung einer Trainingseinheit vom Aufwärmen bis zur Entspannungsphase findet ihr in unserer Kategorie „Training“ hier.

* Pferdewirtschaftsmeisterin * Reitlehrerin FN * lebt in Portugal *
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